Qualitätskriterien von Schulungskonzepten

Indikationsübergreifende Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen

Ergebnisse eines Delphi-Verfahrens

Einleitung

Eine wichtige Aufgabe des Projekts „Zentrum Patientenschulung” lag in der Entwicklung indikationsübergreifender Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen. Solche Kriterien erscheinen erforderlich, da der Begriff „Patientenschulung” in den letzten Jahren auf eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen angewendet wurde und somit für Fachleute und Laien unklar ist, um welche Art von Maßnahme es sich jeweils handelt. Ziel der Entwicklung von Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen war daher eine klare Eingrenzung des Begriffs „Patientenschulung” durch die Definition formaler Mindeststandards sowie eine Zusammenstellung von Kriterien zur Abschätzung der Qualität einer Maßnahme. Zusätzlich sollte auch die Beurteilung der Eignung einer Schulung für den Einsatz in der medizinischen Rehabilitation ermöglicht werden.

Das Konsensverfahren und die Ergebnisse werden hier nur kurz beschrieben. Eine detaillierte Beschreibung finden Sie in der Veröffentlichung: Ströbl, V., Friedl-Huber, A., Küffner, R., Reusch, A., Vogel, H. & Faller, H. (2007). Beschreibungs- und Bewertungskritierien für Patientenschulungen, Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, (20) 75, 11–14.

Auf Grundlage dieser Arbeit schlägt das Zentrum Patientenschulung vier Dimensionen zur indikationsübergreifenden Beurteilung von Patientenschulung vor:

  1. Bestimmungsstücke: Definition formaler Mindeststandards;
  2. Zusätzliche Qualitätsmerkmale: indikationsübergreifende methodische Anforderungen;
  3. Grad der Evidenz;
  4. Indikationsspezifische inhaltliche Anforderungen.

Für die Dimensionen Grad der Evidenz und indikationsspezifische inhaltliche Anforderungen liegen aus Literatur und Fachgremien bereits Kriterien vor, die eine Beurteilung ermöglichen. Für die Definition der Dimensionen Bestimmungsstücke, zusätzliche Qualitätsmerkmale sowie Eignung für die medizinische Rehabilitation wurden über ein Delphi-Verfahren mit Experten Kriterien festgelegt. Im Folgenden werden Methode und Ergebnis dieses Delphi-Verfahrens beschrieben.

Methode

Das Delphi-Verfahren bestand aus einer schriftlichen Befragung von Experten und einer anschließenden Konsensuskonferenz. Der Fragebogen umfasste 48 Fragen dazu, was Patientenschulung ausmacht (Bestimmungsstücke), was zusätzliche Qualitätskriterien sein könnten und welche für den Einsatz von Schulung in der medizinischen Rehabilitation relevant sind. Für die Dimensionen Grad der Evidenz und indikationsspezifische inhaltliche Anforderungen liegen aus Literatur und Fachgremien bereits Kriterien vor, die eine Beurteilung ermöglichen, sodass diese beiden Dimensionen kein Bestandteil des Delphi-Verfahrens waren.

Der Fragebogen wurde dem wissenschaftlichen Beirat des Zentrums vorgelegt. Dieser bestand aus 30 Experten (Vertreter der Rentenversicherungen, Mitarbeiter aus Rehaeinrichtungen, Vertreter von Fachgesellschaften und Selbsthilfevereinigungen). Die Antworten (Rücklauf 63 %) ergaben für 17 der 30 Items einen Konsens, so dass diese unverändert in die Empfehlungen aufgenommen wurden. Die restlichen, heterogen beantworteten Items wurden auf einer Konsensuskonferenz im März 2006 im Kreis von 15 Experten diskutiert. Dabei wurde zudem entschieden, den Kriterien einige übergeordnete Ziele und Charakteristika von Patientenschulungen voranzustellen. Durch Umformulierungen von Aussagen oder Aufnahme einiger Items in die Präambel konnte auf dieser Konferenz zu zehn weiteren Items ein Konsens erzielt werden.

Begriffseinordnung „Patientenschulung”

Für die Kriterien wird folgende Definition von Patientenschulungen zu Grunde gelegt, die in einer Präambel den Empfehlungen vorangestellt wird:

„Patientenschulungen sind interaktive Gruppenprogramme für Menschen mit überwiegend chronischen Erkrankungen. Sie haben das Ziel, die Mitarbeit (Compliance) der Betroffenen bei der medizinischen Behandlung zu verbessern und ihre Fähigkeit zum selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung (Selbstmanagement) in Kooperation mit professioneller Hilfe zu stärken. Der Patient soll durch den Erwerb von Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen in die Lage versetzt werden, informierte Entscheidungen bezüglich seiner Lebensführung zu treffen (Empowerment). Eine Patientenschulung besteht in der Regel aus mehreren Schulungseinheiten, in denen jeweils frontale (z. B. Vortrag) und interaktive Methoden (z. B. Diskussion, Kleingruppenarbeit, Rollenspiel) kombiniert werden; Veranstaltungen mit ausschließlich frontaler Vermittlungsmethode stellen keine Patientenschulung dar. Bei der Vermittlung der Schulungsinhalte werden jeweils mehrere Ebenen einbezogen (Kognition, Emotion, Motivation, Verhalten).”

Es ist zu berücksichtigen, dass sich die folgenden Kriterien jeweils auf das Schulungskonzept beziehen. Dieses ist von der Durchführungspraxis, d. h. der Durchführung beim einzelnen Patienten, zu unterscheiden. Beispielsweise kann eine modular aufgebaute Schulung mehrere Schulungsstunden umfassen, die für die Teilnehmer individuell zusammengestellt werden können (s. Abbildung 1). In der Durchführungspraxis kann dadurch ein Teilnehmer eine einstündige Schulung erhalten. Da das Schulungskonzept jedoch mehrere Einheiten umfasst, ist es somit nach obiger Definition als „Patientenschulung” anzusehen.

Abbildung 1: Schulungskonzept vs. Durchführungspraxis

Nach dieser Begriffsbestimmung stellen z. B. die in der KTL Leistungseinheit k31 beschriebenen „Onkologischen Trainingsprogramme” (z. B. k31.10: Unterweisung im Umgang mit dem Stoma) oder der „Vortrag: Gesundheitsinformation” (KTL Leistungseinheit k51) keine Patientenschulung dar, da es sich um eine individuelle Unterweisung (k31) bzw. um ein einmaliges Angebot handelt, das nicht in ein Schulungskonzept eingebunden ist (k51).

Ergebnisse

Als Ergebnis des Delphi-Verfahrens wurden die folgenden Kriterien für Patientenschulungen festgelegt. Diese Kriterien haben zunächst indikationsübergreifend Gültigkeit, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass indikationsspezifische Abweichungen vorliegen, die ggf. noch aufgenommen und spezifiziert werden können.

Dimension I: Bestimmungsstücke für Patientenschulungen

Die Kriterien der Dimension Bestimmungsstücke legen indikationsübergreifend formale Mindestanforderungen an Patientenschulungen fest. Sie sollen der einheitlichen Verwendung des Begriffes „Patientenschulung” dienen.

  1. Manual
    Für Patientenschulungen liegt ein Manual vor, in dem folgende Aspekte beschrieben sind:
    1. Zielgruppe der Schulung;
    2. Gruppengröße, für die die Schulung konzipiert wurde, d. h. die minimale und maximale Teilnehmerzahl;
    3. Ziele und Inhalte der Schulung;
    4. methodisches Vorgehen.
      Das Manual sollte die benötigten Schulungsmaterialen enthalten.
  2. Ziele
    Die folgenden Ziele sollten Bestandteil jeder Patientenschulung sein:
    1. Wissenserwerb;
    2. Training von Fertigkeiten;
    3. Motivation zu gesundheitsgerechtem Lebensstil;
    4. Krankheitsbewältigung;
    5. Training krankheitsspezifischer sozialer Kompetenz.
  3. Methoden
    1. Bei der Schulungsgestaltung werden neben frontalen (z. B. Vortrag) auch aktivierende Methoden (z. B. Diskussion, Kleingruppenarbeit, Rollenspiel) eingesetzt.
    2. Aktivierende Methoden kommen in jeder Schulungsstunde zum Einsatz.
    3. Die Schulung enthält Elemente, die den Transfer in den Alltag fördern.

Dimension II: Zusätzliche Qualitätsmerkmale

Die zusätzlichen Qualitätsmerkmale zeigen Aspekte auf, von denen angenommen wird, dass sie die Qualität einer Patientenschulung steigern. Daher wäre es wünschenswert, wenn eine Schulung diese Kriterien erfüllt. Sie sind jedoch keine notwendigen Bestimmungsstücke für eine Patientenschulung.

  1. Die Patientenschulung sollte wenn möglich zur Durchführung in einer geschlossenen Gruppe konzipiert sein.
  2. Das Schulungskonzept sollte wenn möglich auch Angehörige (z. B. Eltern, Partner) in die Schulung einbeziehen.
  3. Das Manual sollte wenn möglich Inhalte und Materialien enthalten, die eine schriftliche telefonische oder persönliche Vorbereitung der Teilnehmer auf die Schulung ermöglichen.
  4. Das Schulungskonzept sollte wenn möglich Kontakte zur Nachsorge vorsehen. Diese können z. B. schriftlich, telefonisch oder persönlich erfolgen.
  5. Das Manual sollte wenn möglich Materialien zur Lernerfolgskontrolle enthalten.
  6. Qualifikation und Berufsgruppe der an der Schulung beteiligten Dozenten sollten wenn möglich im Manual beschrieben sein.
  7. Die Entwicklung einer Schulung sollte wenn möglich von einem multiprofessionellen Team vorgenommen werden.


Artikel „Indikationsübergreifende Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen“

Urheber (Autor): Zentrum Patientenschulung
Stand: Mai 2006