Nicht nur das ZePG beschäftigt sich mit der Qualität von Patientenschulung. Auch die Weltgesundheitsorganization WHO hat dieses Thema auf der Agenda. Vor einiger Zeit hat sie eine Einführung zu Patient Education veröffentlicht (auch in einer Deutschen Fassung):
World Health Organization. Regional Office for Europe. (2023). Therapeutic patient education: an introductory guide. World Health Organization. Regional Office for Europe. https://iris.who.int/handle/10665/372743. Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 IGO
Das Verständnis von Patientenschulung bzw. Patient Education ist in vielen Aspekten identisch und wir freuen uns sehr, dass das Thema durch die Aktivitäten und Bemühungen der WHO eine zusätzliche Wertschätzung und Reichweite erfährt.
Auf kleinere Unterschiede im Verständnis von Schulung und besondere Schwerpunktsetzungen der WHO möchten wir gerne hinwweisen:
- Die WHO nimmt bei dem Thema eine langfristige Perspektive ein: Schulung sollte keine einmalige Intervention sein (wie z. B. das Durchlaufen einer Schulung in der Rehabilitation), sondern wird als ein „lebenslänglicher“ Prozess verstanden der über längere Zeiträume (Wochen und Monate) verläuft. Daher sollten die Schulungsangebote vielfältig sein, damit jeder Mensch die Möglichkeit hat, ein für sich passendes Edukationsangebot wahrnehmen zu können.
- Engerer Fokus des Begriffs „therapeutic patient education“: Die WHO fokussiert sich bei ihrem Verständnis und den Zielen von Patient Education auf die medizinischen Aspekte einer Erkrankung (Medikation) und die Lebensqualität. Die Bedeutung von anderen Zielen wie Health Literacy (Erwerb von Gesundheitskompetenzen) oder Self-efficacy (Stärkung der Selbstwirksamkeit) werden anerkannt und betont, aber eher einer übergreifenden Interventionsstufe, dem Konzept der self management interventions zugeordnet.
- Im Sinne des Selbstmanagements räumt die WHO der Methode der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) eine wichtige Rolle ein.
- Für die Beschreibung von Selbstmanagement-Interventionen beschreibt die WHO drei Domänen: Wirkmechanismus/Strategie – Verhaltensbereiche (sowohl auf Seiten der Patient:innen wie auch auf der Seite der Gesundheitsfachkräfte) – Outcomes
- Die auf der Seite der Patient:innen nötigen (Lern-)Kompetenzen sind vergleichbar beschrieben (Aufteilung nach Wissen – Fähigkeiten – motivationalen Faktoren)
- Stärkere Stakeholder-Perspektive: Die Bedeutung der Versorgungsstrukturen werden bei der WHO gesondert thematisiert. Barrieren und Chancen der Umsetzungsmöglichkeiten werden beschrieben. Dabei wird die Interprofessionalität betont. Die verschiedenen Akteure im Gesundheitssystem (die PE umsetzen können) werden skizziert: Vom System Familie (Care givers) über kommunale Angebote (Selbsthilfe) bis hin zu professionellen Anbietern.
- Auch die WHO hebt die besondere Bedeutung der Ausbildung von Gesundheitsfachkräften hervor, die Patient Education umsetzen. Und auch die WHO legt dabei einen besonderne Schwerpunkt auf Kompetenzen zum Anleiten und Unterstützen von Verhaltensänderung.
Die Prozesse und Merkmale der aus diesem Verständnis resultierenden Interventionen sehr ähnlich.
Merkmale von patient education nach der WHO (S. 2):
- strukturierter Lernprozess
- personenzentriert und teilnehmerbezogen
- Unterstützung bei chronischen Beschwerden
- Selbstmanagement
- ressourcenorientiert
- alltagsbezogen
- von ausgebildeten Gesundheitsfachkräften (trained health professionals) durchgeführt
- kann verschiedene Ansätze von Selbstmanagement-Interventionen umfassen
- verläuft über die gesamte Lebensspanne eines Menschen.
Unser Verständnis von Patientenschulung geht also über das reine Verständnis von Patient Education hinaus und reicht in die Gefilde der Selbstmanagement-Interventionen hinein. Die WHO legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Umsetzungsmodalitäten.
Die Gemeinsamkeiten im Verständnis überwiegen die Unterschiede jedoch bei weitem und wir hoffen, dass die Themen Patientenschulung und Gesundheitsförderung durch diese Arbeit weiter gestärkt und gewertschätzt werden.